Vom Mikro-Depot zur Haustür

Stellen Sie sich vor, Ihr Briefträger würde Ihre Post mit einem 7,5-Tonner anliefern, und auch die Pizza erreichte Sie auf dieselbe Weise. Das hat doch keinen Sinn, würden Sie vermutlich sagen, und zurecht. Doch nicht nur Briefe und Pizzen – auch der größte Teil der innerstädtisch privat ausgelieferten Waren gehört besser auf das Fahrrad oder andere saubere Transportmittel. Die Branche der Kurier-Express-Paketdienste (KEP) setzt deshalb zur Bedienung der „letzten Meile“ verstärkt auf Lastenfahrräder, die schnell, zuverlässig und vor allem umweltfreundlich Sendungen zu den Privathaushalten oder zu Einzelhandelsgeschäften bringen. Um dies bewerkstelligen zu können, sind spezielle Mikro-Depot erforderlich, auch Hubs genannt, an denen die Kuriere ihre Sendungen entgegennehmen, bevor sie die letzten Meter übernehmen.

Vielversprechende Anfänge

Wie so ein Mikro-Depot oder City-Hub funktioniert und was es leisten kann, zeigen Pilotprojekte in mehreren deutschen Großstädten. So in Berlin: dort konnten durch den Einsatz eines Mikro-Depots etwa 85 Prozent der Autokurierfahrten im Testgebiet eingespart und durch Lastradfahrten ersetzt werden. Die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit waren nicht zu beanstanden. Zudem verringerte sich die Anzahl der Direktfahrten, da mit dem Depot viele Aufträge erstmals gebündelt werden konnten. Die „Bento Box“ genannte Anlage besteht aus abschließbaren Schließfächern unterschiedlicher Größe, in die ein Kurierdienst Sendungen bis zur Zustellung zum Kunden vorübergehend einlagert. In Hamburg betreibt UPS, einer der großen Anbieter auf dem KEP-Markt, seit 2012 bereits ebenfalls ein Mikro-Depot. Auf einer Verkehrsfläche von ca. 25 mal 2,5 Metern wird täglich ein Container gewechselt, der bis zu 400 Sendungen aufnimmt. Das Zustellgebiet, in dem die Auslieferung durch Lastenfahrräder und Stapelkarren erfolgt, hat einen Radius von maximal 500 bis 1.000 Metern. Aufgrund der positiven Erfahrungen prüft das Unternehmen nach eigenen Angaben weitere Mikro-Depots in Hamburg, sowie in anderen Städten.

Voraussetzungen und Akzeptanz

Wirtschaftlich sinnvoll sind solche Depots überall da, „wo eine ausreichend hohe Siedlungs- und Auftragsdichte im Einzugsgebiet vorhanden ist“, so das Ergebnis der Untersuchung des Einsatzes von Fahrrädern im Wirtschaftsverkehr (WIV-RAD) durch das Bundesverkehrsministerium (BMVI) vom Mai 2016. Das können Stadtteile und andere kompakte Siedlungsgebiete sein oder hochfrequentierte Innenstadlagen, denn auch Einzelhändler gehören zu den klassischen KEP-Kunden. Laut BMVI könnten, je nach zugrundegelegtem Szenario, zwischen 8 und über 22 Prozent aller „Wirtsachaftsverkehrsaktivitäten“ auf Lastenfahrräder verlagert werden. Fahrradfreundlichere Verkehrsexperten rechnen vermutlich mit einem deutlich höheren Anteil.

Idealerweise wird das Mikro-Depot und City-Hub von mehreren Speditionsdiensten gemeinsam genutzt – schließlich sind innerstädtische Aufstellflächen rar und entsprechend teuer. Doch „kooperativ genutzte Mikro-Depots sind in Deutschland aktuell nicht bekannt“, stellt eine aktuelle wissenschaftliche Studie zur nachhaltigen Stadtlogistik fest, die im Auftrag des Bundesverbands Paket und Express-logistik (BIEK) durchgeführt wurde.

Da die Nutzung von innerstädtischen Flächen ständigen Veränderungen unterliegt, ist es nach Ansicht der Forscher außerdem wichtig, die Depot-Standorte flexibel zu gestalten. Wenn alle genannten Bedingungen gegeben sind, sei mit einer hohen Akzeptanz in den Kommunen zu rechnen, die mit der Verlagerung vom Kraftfahrzeug aufs Rad mit einer Verringerung der Luftschadstoffe rechnen können. Und mit der Zustimmung von Kunden wie Ihnen vermutlich auch.

Rund 2,3 Milliarden Sendungen haben die Kurier-, Express- und Paketdienste (Kep) im vergangenen Jahr in Deutschland laut Deutscher Verkehrszeitung (DVZ) befördert. In zehn Jahren soll sich die Zahl verdoppelt haben. Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) zählt aktuell sogar bereits 2,94 Milliarden beförderter Sendungen.