Fabrikplanung als Wissenschaft

Die VDI-Richtlinie 5200 zur Fabrikplanung bildet alle Schritte ab, die von der Zieldefinition bis zum erfolgreichen Projektabschluss nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft als sinnvoll und erforderlich gelten können. Damit wird sie zum unentbehrlichen Leitfaden für Unternehmen, die Neu- und Umbauten von Fertigungsstätten von Anfang an optimal gestalten möchten und müssen. Mit dem RAMI 4.0-Modell geht die wissenschaftliche Fabrikplanung noch einen Schritt weiter.

In der Einleitung der 2011 erschienenen Richtlinie äußern sich die Autoren erstaunt darüber, dass die wissenschaftliche Basis der Fabrikplanung „vor allem aus den 1960er und 1970er Jahren“ stamme. Das neue Dokument war also längst überfällig angesichts der stark gewandelten Anforderungen an die industrielle Produktion, wie etwa der ständig steigenden Anzahl der zu bedienenden Märkte und der Schnelllebigkeit von Technologien und Produkten. Zu den weiteren Veränderungstreibern müssen ferner steigende Energiekosten, Umweltschutzaspekte und das Bemühen um eine Humanisierung der Arbeitswelt gezählt werden.

Diesen komplexen Anforderungen versucht die wissenschaftliche Fabrikplanung bis heute Rechnung zu tragen. Ihre wesentlichen Gegenstände sind die Gebäudeplanung, das Fertigungsanlagenlayout, die Planung der Ver- und Entsorgung einschließlich der Materialflussplanung sowie die Verknüpfung von Fertigungsanlagen untereinander sowie mit vor- und nachgelagerten Prozessstufen.

„Fangen Sie nie mit einem Maschinenlayout und einem Gebäudeentwurf an, wenn Sie eine neue Fabrik bauen oder eine vorhandene verändern wollen, und widerstehen Sie dem Druck, frühzeitig Kosten zu nennen. Ziehen Sie sich stattdessen mit der Geschäftsführung in ein Waldhotel zurück und denken Sie einen ganzen Tag lang darüber nach, was Sie mit dem Projekt aus strategischer Sicht erreichen wollen. Die Folgeschritte ergeben sich dann zwangsläufig (…).“ aus: Handbuch Fabrikplanung, Vorwort zur 2. Auflage, Hanser Verlag Dezember 2014

Produktionsprozess im Zentrum

Dem wissenschaftlichen Ansatz entsprechend, werden Fabriken als Gesamtsystem verstanden, in dessen Mittelpunkt der Produktionsprozess steht. Auf ihn werden alle übrigen Prozesse und Funktionen bezogen. Bei den Hauptzielen steht daher ein effizienter, möglichst günstig organisierter Produktions- und Fertigungsfluss an erster Stelle, weitere Hauptziele sind menschengerechte Arbeitsbedingungen, die optimale Flächen- und Raumausnutzung sowie eine hohe Flexibilität der Bauten, Anlagen und Einrichtungen.

Strukturiertes Planungsmodell

Um diese Ziele zu erreichen, entwirft die „VDI 5200“ ein strukturiertes, in acht Phasen gegliedertes Planungsmodell: Phase 1 beschreibt das Vorgehen zur Zielfeststellung. Hier werden die Unternehmens- und Projektziele bestimmt, Bewertungskriterien festgelegt und Arbeitspakete definiert. Phase 2 dient der Grundlagenermittlung, d.h. der Beschaffung und Auswertung erforderlicher Informationen. Die Konzeptplanung erfolgt in der 3. Phase.

Wichtig ist hier der Unterschied zwischen einer Idealplanung und der Realplanung – die Idealplanung sollte auf der Grundlage vorhandener Arbeitspläne und soll ohne Rücksicht auf die vermeintliche oder tatsächliche Realisierbarkeit erfolgen. So kann sie wichtige Impulse und Ideen für die darauffolgende Realplanung liefern.

Die 4. Phase befasst sich mit der Detailplanung. Hier werden Genehmigungsanträge und Leistungsbeschreibungen erstellt. Die Phasen 5 und 6 beschreiben die Vorbereitung und Überwachung der Projektrealisierung, die 7. und 8. Phase die Betreuung des An- bzw. Hochlaufs der neuen Fertigungsstätte sowie die abschließende Bewertung des Projekts.

Bei der Planung werden alle Phasen nacheinander und teilweise auch wiederholt durchlaufen. Jede Phase endet mit einem Meilenstein, an dem ihre Ergebnisse vorliegen müssen. Parallel dazu beschreibt die VDI 5200 die begleitenden organisatorischen Tätigkeiten des Projektmanagements, sowie die Leistungen der Architekten gemäß HOAI Art. 15.

Für die richtlinienkonforme Fabrikplanung gibt es zahlreiche praktische Software-Lösungen, mit deren Hilfe virtuell und in 3D-geplant werden kann. Am Bildschirm lässt sich so schnell erkennen, welche Auswirkungen Layoutänderungen auf logistische Lasten haben und vieles andere mehr.

Industrie 4.0

Industrie 4.0, mit dieser Bezeichnung wird die Neuerfindung der Fabrik verbunden. In der komplett digitalisierten Fertigungsstätte soll die bislang funktionsbestimmte Organisation von einer prozessorientierten abgelöst werden, bei dem Menschen und Maschine sowie Maschinen miteinander und mit den herzustellenden Produkten kommunizieren. Zu den Versprechen gehört die Senkung der Kosten für Bestand, Fertigung und Logistik um bis zu 40 Prozent und für Instandhaltung um bis zu 30 Prozent.

Für die Fabrikplanung bedeutet das Konzept unter anderem, dass die VDI-Planungsrichtlinie ergänzt werden muss. Hierzu hat der Zentralverband Elektrotechnik u. Elektronik e.V. (ZVEI ) nach eigener Darstellung erste Erfolge bei der Standardisierung von Industrie 4.0 erreicht: „die erste Darstellung einer Referenzarchitektur für Industrie 4.0 (RAMI 4.0) und die Industrie 4.0-Komponente, die einen Industrie 4.0-fähigen Produktionsgegenstand konkret beschreibt, wurden entwickelt.​​​​​​​​​​​​​​​​ Das Referenzarchitekturmodell erlaubt dabei die schrittweise Migration aus der heutigen in die Industrie-4.0-Welt.“

Die VDI-Richtlinie 5200 wird durch das neue Modell nicht etwa obsolet. Vielmehr wird sie erweitert und dient damit auch in Zukunft als Basis für die systematische Planung.

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