Fahrraddiebstahl in Deutschland

Fahrräder erleben seit einigen Jahren einen wahren Boom in Deutschland. Ein immer stärker verankertes Umweltbewusstsein, verstopfte Straßen, Parkplatzprobleme und bessere Fahrradmodelle (vor allem mit Elektromotor) haben in jüngster Vergangenheit die Popularität des guten alten Drahtesels massiv gesteigert. Vor allem für jüngere und urbane Menschen ist das Fahrrad heutzutage in vielen Lebenssituationen ein vollwertiger Ersatz für das Auto. Doch genauso beliebt wie Fahrräder bei Privatleuten sind, sind sie es auch bei Dieben. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Fahrräder zu den am häufigsten gestohlenen Gegenständen in Deutschland zählen.

Jahresstatistik Fahrraddiebstahl

Gemäß den Daten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wurden im Jahr 2019 rund 155.000 versicherte Fahrräder in ganz Deutschland unrechtmäßig entwendet. Im Vergleich zu 2018 ging damit die Zahl der Diebstähle versicherter Fahrräder um etwa 5.000 zurück.

Im Unterschied zu den Daten des GDV erfasst die polizeiliche Kriminalstatistik auch den gemeldeten Diebstahl nicht versicherter Fahrräder. Die Gesamtzahl gestohlener Fahrräder belief sich 2019 auf ca. 278.000. Zwar bedeutet dieser Wert einen Rückgang um etwa fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dennoch werden pro Stunde in Deutschland im Schnitt (offiziell) 32 Räder gestohlen.

Da Fahrraddiebstähle, vor allem älterer und unversicherter Räder, häufig nicht bei der Polizei angezeigt werden, liegt die Dunkelziffer wesentlich höher. Kriminalstatistiker gehen davon aus, dass sie bei etwa dem doppelten Wert der offiziell erfassten Diebstähle liegt. In Zahlen ausgedrückt: Rund 600.000 Fahrräder werden jedes Jahr in Deutschland ihren Besitzern entwendet.

Versicherungsschaden durch Fahrraddiebstahl

Laut Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft liegt der Gesamtschaden, der Versicherungen durch Fahrraddiebstahl 2019 entstanden ist, bei etwa 110 Millionen Euro. Im Durchschnitt zahlten die Versicherungen demnach 720 Euro pro gestohlenem Fahrrad – ein Spitzenwert. Gegenüber dem Versicherungswert von 650 Euro im Jahr 2018 eine Steigerung von über zehn Prozent. Noch deutlicher fällt der Anstieg des Versicherungsschadens im langjährigen Vergleich aus. Während im Jahr 2009 die durchschnittliche Entschädigung für ein gestohlenes Fahrrad bei 410 Euro lag, waren es 2019 bereits 75 Prozent mehr.

Hintergrund für den starken Anstieg des Versicherungsschadens sind zwei Entwicklungen, die seit mehreren Jahren zu beobachten sind: Erstens, Fahrräder werden teurer. Und zweitens, Fahrräder werden häufiger versichert.

Die Tatsache, dass die Preise für Fahrräder kontinuierlich steigen, hat in erster Linie mit dem ungebrochenen Trend zu E-Bikes zu tun. 2019 wurden laut Daten des deutschen Zweirad-Industrie-Verbandes 1,36 Millionen Elektrofahrräder verkauft. Gegenüber 2018 bedeutete dies einen Anstieg um fast 40 Prozent. Damit war 2019 beinahe jedes dritte verkaufte Fahrrad ein E-Bike.

Fahrräder, bei denen die Antriebsleistung des Fahrers durch einen elektrischen Motor unterstützt wird, kosten in der Regel über 1.000 Euro. Bei höherwertigen Modellen kann sich der Preis auch auf einen höheren vierstelligen Eurobetrag belaufen. Auch Lastenräder trugen zur allgemeinen Steigerung der Absatzpreise von Fahrrädern bei. Die Fahrräder mit großen Transportkisten erfreuen sich bei Familien und Unternehmen immer größerer Beliebtheit. Sie sind vor allem in städtischen Gebieten ein äußerst praktischer Ersatz für das Auto. Auch Lastenräder kosten im Regelfall 1.000 Euro und mehr. Bei Modell mit E-Motor-Unterstützung liegen die Preise meist bei über 3.000 Euro.

Fahrraddiebstähle nach Bundesländern

Die Hochburgen des Fahrraddiebstahls unter den deutschen Bundesländern sind die drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg. Unrühmlicher Spitzenreiter bei den Diebstählen bezogen auf die Einwohnerzahl war Bremen. In der Hansestadt wurden im Jahr 2019 926 Fahrraddiebstähle pro 100.000 Einwohner registriert. Platz 2 im Fahrraddiebstahl-Ranking geht an Berlin. Die deutsche Hauptstadt kam auf 788 Diebstähle auf 100.000 Einwohner. Auf Platz 3 lag Hamburg mit einer Quote von 656 Fahrraddiebstählen pro 100.000 Einwohner.

Was die regionale Verteilung von Fahrraddiebstählen in Deutschland angeht, ist ein starkes Nord/Ost-Süd-Gefälle zu verzeichnen. Das bedeutet, dass in den nord- und ostdeutschen Bundesländern deutlich mehr Fahrraddiebstähle registriert wurden als im Süden der Bundesrepublik. Diebstahl-Spitzenreiter unter den Flächenländern war Sachsen mit 515 Diebstählen bezogen auf 100.000 Einwohner. Dahinter folgten Brandenburg (487), Sachsen-Anhalt (477), Niedersachsen (395), Schleswig-Holstein (389), Nordrhein-Westfalen (365) und Mecklenburg-Vorpommern (307).

In den süddeutschen Bundesländern wurden 2019 deutlich weniger Fahrräder gestohlen als in der restlichen Bundesrepublik. Bayern und Baden-Württemberg registrierten 208 bzw. 207 Diebstähle, bezogen auf 100.000 Einwohner. Noch sicherer waren Hessen (198), Thüringen (167) und Rheinland-Pfalz (162). Am sichersten dürfen sich Fahrradbesitzer im Saarland fühlen. Hier wurden 2019 lediglich 101 Fahrräder pro 100.000 Einwohner gestohlen.

Fahrraddiebstähle nach Städten

Ein Blick in die Diebstahlstatistik nach Städten zeichnet ein noch genaueres Bild der Lage. Wie bei der Auswertung nach Bundesländern zeigt sich auch beim Ranking nach Städten, dass Orte im Norden und Osten der Bundesrepublik Spitzenreiter in Sachen Fahrraddiebstahl sind.

Das mit Abstand gefährlichste Pflaster für Fahrradbesitzer ist die Stadt Leipzig. Die sächsische Metropole erreichte 2019 einen traurigen Rekord von 1.700 Fahrraddiebstählen pro 100.000 Einwohnern. Auf dem zweiten Platz lag Göttingen in Niedersachsen mit einem Wert von 1.444 Diebstählen pro 100.000 Einwohnern. Platz 3 im Städte-Ranking ging an Münster in Nordrhein-Westfalen mit 1.374 Fahrraddiebstählen auf 100.000 Einwohner. Ob die Tatsache, dass es sich bei den drei Spitzenreitern um bedeutende Universitätsstädte mit einer relativ jungen Bevölkerung handelt, eine Rolle bei der Diebstahlhäufigkeit spielt, lässt sich anhand der Daten nicht belegen.

Auf den weiteren Plätzen folgten Osnabrück (1.203), Halle an der Saale (1.113), Cottbus (965), Bremen (944), Potsdam (914), Gütersloh (911) und Oldenburg (902).

Diebstahlhäufigkeit nach Zeiten und Orten

Laut Daten der Versicherungsgesellschaft Wertgarantie werden die meisten Fahrräder im Frühjahr (April, Mai und Juni) gestohlen. Die Kriminalstatistik der Polizei zeigt, wo Fahrräder besonders häufig entwendet werden, und zwar dort, wo besonders viele geparkt sind. Zu diesen Orten zählen vor allem Bahnhöfe, Schulen, Einkaufszentren und Schwimmbäder. Aufgrund der Dutzenden abgestellten Fahrräder fällt es in der Regel nicht auf, wenn sich eine Person mehrere Minuten an einem Fahrradschloss „zu schaffen macht“.

Ein besonders beliebtes Ziel von Fahrraddieben sind Bahnhöfe in Vororten von Großstädten oder in der Provinz. Hintergrund ist, dass an diesen Stationen, vor allem Pendler, ihre Fahrräder abstellen. Die Fahrräder sind folglich von morgens bis nachmittags nicht beaufsichtigt – eine ideale Umgebung, um in aller Ruhe und unbeobachtet ein Schloss zu knacken. Noch dazu bei einer freien Auswahl aus größtenteils über 200 Rädern.

Aufklärungsquote von Fahrraddiebstahl

Die Aufklärungsquote bei Fahrraddiebstählen ist so niedrig wie bei kaum einer anderen Straftat. Im Schnitt wird nur jeder zehnte Diebstahl eines Fahrrads aufgeklärt. In den Städten liegt die Aufklärungsquote nur bei fünf Prozent.

Hintergrund für die extrem niedrige Quote der Aufklärung von Fahrraddiebstählen ist die Schwierigkeit der Ermittlung der Täter. Die meisten Fahrräder werden entweder schnell weiterverkauft, beispielsweise über Internet-Plattformen oder Flohmärkte, oder sie werden ausgeschlachtet, um die Einzelteile als Ersatzteile weiterverkaufen zu können. Aufgrund der praktisch unmöglichen Nachverfolgung von Fahrrädern fühlen sich Fahrraddiebe entsprechend sicher. Noch schwieriger ist die Täterermittlung bei der Ausschlachtung in Einzelteile. Da bei den meisten Fahrrädern nur der Rahmen eine Seriennummer aufweist, ist die Rückverfolgung von einmal weiterverkauften Einzelteilen in der Praxis aussichtslos.

Arten und Erkennung von Dieben

Das Spektrum der Fahrraddiebe in Deutschland ist groß. Es reicht von Jugendlichen, die ein Fahrrad für den Eigenbedarf stehlen über Junkies und Gelegenheitsdiebe, die Fahrräder des Geldes wegen entwenden, bis hin zu professionellen Einzeltätern oder Banden, die gewerbsmäßig mit Fahrrädern oder Fahrradteilen handeln.

Die Identifikation eines gestohlenen Fahrrads ist für Privatleute nahezu unmöglich. Im Gegensatz zu Autos gibt es für Fahrräder keine Papiere, die einen eindeutigen Nachweis des Eigentums ermöglichen. Die sicherste Möglichkeit, ein „sauberes“ Fahrrad zu erwerben, ist der Kauf bei einem seriösen Fahrradhändler. Die Wahrscheinlichkeit, im Fachhandel ein gestohlenes Rad zu erwerben, ist eher gering.

Kritischer wird es hingegen beim Kauf eines Fahrrads auf einem Wochen- oder Flohmarkt. Besonders in Großstädten sind Märkte die bevorzugten Handelsplätze von gewerbsmäßig agierenden Diebesbanden.

Auch bei einem Kauf im Internet ist Vorsicht geboten. Bei großen Handelsplattformen wie Ebay tummeln sich viele professionelle Diebe bzw. Banden, die dort als Einzelpersonen auftreten. Ein Warnhinweis ist, wenn ein privater Händler gleich mehrere Räder im Angebot hat.

Vom Kauf eines Fahrrads auf offener Straße sollte man grundsätzlich Abstand nehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man dabei Diebesgut erwirbt, ist besonders hoch.