AGFS Kongress 2020: Hauptsache Parken

Einmal mehr konnte sich die AGFS (Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW) über einen Beteiligungsrekord freuen: Über 700 Teilnehmer waren am 27.Februar seiner Einladung zum Kongress nach Essen gefolgt. Unter dem Motto „Hauptsache Parken“ befassten sich Politiker und Experten mit einer zentralen Herausforderung der fortschrittlichen Verkehrsplanung, die darin besteht, die knappen innerstädtischen Verkehrsflächen für alle Nutzer möglichst effizient zu nutzen und umweltfreundlichen Fortbewegungsarten, insbesondere dem Fahrrad, buchstäblich mehr Platz einzuräumen.

Immer mehr Menschen zieht es zum Wohnen oder Arbeiten in die Stadt. Sie stellen wachsende Mobilitätsanforderungen, und die eingegangenen Klimaziele machen den Umstieg zu einer emissionsärmeren kommunalen Verkehrswelt schlichtweg erforderlich. Dass die von Politikern, Wissenschaftlern und Planern gewünschte Verkehrswende generell „sehr viel Geld kosten wird“, befand Frank Meyer, Vorsitzender des AGFS-Präsidiums, doch allein damit ließe sich das Problem mit innerstädtischen Parkräumen nicht lösen: „Wir würden heute Stadtplanung am Reißbrett ganz anders anlegen, als die gewachsenen Strukturen sind (…) Die große Herausforderung wird sein, eine Verkehrswende zu mehr Nahmobilität zu Umweltverbund hinzubekommen, ohne die davon betroffenen Menschen gegen sich aufzubringen.“ Die Kommunen hätten wichtige, schwierige Infrastrukturmaßnahmen zu stemmen, und müssten vom Land dazu in die Lage versetzt werden, so Meyer.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, versicherte den Gästen und der interessierten Öffentlichkeit die „breite Unterstützung des Fahrradverkehrs durch den Landtag“ und wies auf die 900 Millionen Euro Bundeszuschüsse und auch erhöhte Fördermittel des Landes hin, die allerdings auch abfließen müssen, was in den vergangenen Jahren allerdings nicht immer möglich gewesen sei. Die Planung zu beschleunigen, sei das vordringlichste Ziel, deshalb seien beim Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen („Straßen-NRW“) in diesem Jahr 20 neue Planer eingestellt worden, die Hälfte davon werde sich ausschließlich mit der erforderlichen Infrastruktur für den Radverkehr beschäftigen. Zudem werde bereits ein Gesetz für besseren Radverkehr erarbeitet; es werde bundesweit das erste seiner Art in einem Flächenland sein.

Wie sich die Themen Parkraum und Nahmobilität in der Praxis gestalten, und wohin sich die Kommunen angesichts der Fortschritte bei der Digitalisierung von Parkraumbewirtschaftung, Verkehrsplanung und Verkehrslenkung entwickeln könnten, damit befassten sich die eingeladenen Experten aus Kommunen, Universitäten und Ingenieurbüros. Sicher scheint demnach, dass die Zeit spontanen Autoparkens abläuft und durch immer raffiniertere Leit- und Bewirtschaftungssysteme abgelöst werden wird. Dadurch kann das Parken bequemer werden. Teurer wird es allerdings auch, denn „Flächen kosten etwas“ und „hochwertiger Parkraum ist ein Geschäft“, wie Bernd Bienzeisler vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, feststellte.

Autofahrer, die sich bereits jetzt über hohe innerstädtische Parkgebühren ärgern, müssen in Zukunft vermutlich noch tiefer in die Tasche greifen. Zum Trost: Wer sich in deutschen Städten einen PKW leistet, kommt aktuell noch vergleichsweise günstig weg – während sich in Berlin, München oder Cottbus die Anwohnerparkgebühren auf 10 bis 31 Euro belaufen, sind es in Kopenhagen bereits 158 und in Amsterdam 535 Euro. In Stockholm werden stattliche 827 Euro verlangt, so eine Übersicht von Christian Adams, SHP Ingenieure, aus Hannover. Wie das Beispiel Hamburg zeigt, sind die öffentlichen Parkgebühren erstmals 2016 um 22 Prozent angestiegen, während sich die ÖPNV-Tarife seit 1994 um 81 bis 112 Prozent verteuert hätten, wie Michael Zyweck vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr darlegte. Parkgebühren und kommunale Stellplatzsatzungen sind für Zyweck entscheidende Bausteine des kommunalen Parkraummanagements.

Dass Parken und Geld, ob als Investition oder als Gebühr, verstärkt zusammengedacht werden müssen, sollte jedoch nicht verdecken, dass mit der Lösung der innerstädtischen Verkehrs- und Parkraumprobleme auch allgemeine Vorteile verbunden sind. „Rund 23 Stunden am Tag blockieren Millionen Autos wertvollen öffentlichen Raum, der dringend für Grünareale, Aufenthalt, Nahmobilität, Mikroklima etc. gebraucht würde“, schreibt dazu der AGFS in seinen Leitthesen zur Zukunft des Parkens. Gelingt es, diesen zugunsten einer „durchgrünten, begegnungs- wie bewegungsfördernden Stadt“ zurückzugewinnen, werden davon nicht zuletzt auch die Autofahrer profitieren. Während der meisten Zeit, in der ihr Auto parkt (immerhin während 97 Prozent des Tages), sind sie und ihre Familien schließlich Fußgänger, Radfahrer oder Anwohner.