RAL: Durchblick (nicht nur) bei Farben
Redensarten nehmen es oft nicht so genau: Wenn jemand „das Blaue vom Himmel verspricht“, ein anderer noch „grün hinter den Ohren“ sein soll, dann ist es jedem selbst überlassen, an welche Farben er hierbei denkt. Wer jedoch Produkte in Farben anbietet oder etwas farbig machen soll, der will es genau wissen – entweder, um sich im Wettbewerb beispielsweise mit einem selbstentwickelten Magenta zu behaupten, oder um Streit mit seinem Auftraggeber zu vermeiden. Durchblick bei Farben schaffen die Systeme der RAL-Farben: die RAL Classic zum Beispiel, eine Sammlung von aktuell 213 normierten Farbtönen, in der jeder Farbe eine vierstellige Farbnummer zugeordnet ist.
Not macht erfinderisch
Das farbige Licht der Welt erblickte die RAL-Skala bereits 1927. Zwei Jahre zuvor war der „Reichs-Ausschuss für Lieferbedingungen (RAL)“ gegründet worden, der die Rationalisierung in der deutschen Industrie durch die Vereinfachung und Vereinheitlichung von technischen Lieferbedingungen voranbringen sollte. Zugleich galt es nach dem Ersten Weltkrieg sparsam mit Pigmenten und Bindemitteln umzugehen, die nur in sehr beschränktem Umfang zur Verfügung standen, während gleichzeitig, befeuert durch die aufkommende Massenproduktion ziviler Güter, ein großer Bedarf an industriellen Lacken bestand. In der Not einigten sich die Farbindustrie, Verbraucher und Staat auf den Einsatz weniger Grundfarbtöne und daraus abgeleiteter Mischtöne, die mit den verfügbaren Pigmenten in guter Qualität hergestellt werden konnten. Die 40 Farbtöne umfassende erste Farbskala vertraute man der RAL an, die dem System seither seinen Namen gibt.
Praktische Lösung
Damals wie heute brauchen Lieferanten und Kunden dank der RAL-Farbsysteme nur eine RAL-Nummer austauschen und benötigen kein Farbmuster auf definiertem Material. Weil nicht jeder sich unter einer bestimmten RAL-Nummer die dazugehörige natürliche Farbe vorstellen kann und um Verwechslungen durch Zahlendreher zu vermeiden, besitzt jeder Farbton zusätzlich einen bezeichnenden Namen z. B. RAL 1000 Grünbeige, der erste Eintrag unserer RAL-Liste.
Die Normung der RAL-Farben vereinfacht die Verständigung über Farbtöne ganz wesentlich. Anbieter und Kunde können anhand der Farbnummern eindeutig festlegen, in welcher Farbe ein Produkt geliefert werden soll. Gleichzeitig ermöglicht die eindeutige Definition von Farbtönen, dass diese überall exakt hergestellt werden können. Nachlackierungen und Ausbesserungsanstriche werden ebenfalls einfacher.
Um in den RAL-Katalog Aufnahme zu finden, müssen Farbtöne verschiedene Kriterien erfüllen: Laut der RAL gGmbH (eine Tochter des RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung) erstellt und verwaltet – müssen sie „zeitlos sein und einem übergeordneten öffentlichen Interesse unterliegen. Weiterhin muss der Farbton umweltfreundlich und witterungsbeständig herstellbar sein, eine hohe Deckkraft haben und es muss ein sichtbarer Unterschied zu vorhandenen Farben gegeben sein.“ Über die Entwicklung schreibt das Unternehmen: „Meistens wurden neue Farbtöne deutscher Großunternehmen hinzugefügt. So kamen beispielsweise 1992 die Farben der Telekom: „Telemagenta“, „Telegrau 1“ und „Telegrau 2“ hinzu.“
Ökologisch, wirtschaftlich und digital
Neben der ursprünglichen Farbsammlung RAL Classic gibt es seit 2007 den Farbkatalog RAL Effekt, der mit 420 Uni- und 70 Metallic-Farbtönen deutlich mehr Farben als der traditionelle Katalog der RAL-Farben enthält und auch ökologische Aspekte berücksichtigt – schwermetallhaltige Pigmente wie Bleichromat oder Cadmiumsulfid sind bei der Formulierung tabu.
Für die kunststoffverarbeitende Industrie stellt RAL seit 2010 das System RAL PLASTICS zur Verfügung, ein eigenständiger Farbstandard für Kunststoffe, der Designern und Herstellern die Farbgestaltung erheblich vereinfacht und das zeit- und kostenintensive Nachstellen der RAL Farben von Lackmustern auf Kunststoffe erübrigt.
Die Software RAL Digital stellt die verbindlichen Farbkataloge auch digital zur Verfügung. In regelmäßigen Abständen veröffentlicht die RAL gGmbH zudem das Farbtrendbuch „RAL Colour Feeling“ und gibt Publikationen wie „Das Farbwörterbuch“, „Farben der Gesundheit“ oder „Farben der Hotels“ heraus.
Durchblick und Qualität
Längst hat sich das „RAL Deutsches Institut für Gütesicherung“ zu einem Global Player entwickelt. Mit Vertriebspartnern in 42 Ländern und einer Verfügbarkeit der Produkte in mehr als 85 Ländern ist es auf allen Erdteilen zu Hause. Dabei geht es um weit mehr als normierte, reproduzierbare Farben: Inzwischen gibt über 170 RAL-Gütezeichen aus allen Bereichen der Wirtschaft. Aktuell haben sich RAL ca. 130 Hersteller und Dienstleister mit rund 9.000 Mitgliedsunternehmen zu „RAL-Gütegemeinschaften“ zusammengeschlossen.
Als von RAL anerkannte Organisation sind sie für die Gütesicherung und ein transparentes Vergabeverfahren verantwortlich. Die Gütegemeinschaften verleihen das Recht, RAL Gütezeichen zu führen, prüfen regelmäßig die Güte- und Prüfbestimmungen, überwachen die strikte Einhaltung und sorgen so weit über Deutschland hinaus für Durchblick und Qualität. Einfach das Blaue vom Himmel versprechen kann schließlich jeder …
So kommen die Bezeichnungen der RAL Classic-Farben zustande
Alle RAL Classic-Farben haben eine vierstellige Nummer in Verbindung mit der Marke „RAL“ (z. B. RAL 2011). Die erste Ziffer ist systematisch (1: gelbe, 2: orange, 3: rote, 4: violette, 5: blaue, 6: grüne, 7: graue, 8: braune und 9: weiße und schwarze Farbtöne), die restlichen drei Ziffern werden fortlaufend gewählt. Zusätzlich gehört zu jedem Farbton auch eine Hilfsbezeichnung (z. B. Kommunalorange für RAL 2011), um die Verwechslungsgefahr zu senken.
Um Mitglied der RAL Classic-Familie zu werden, muss ein Farbton:
- von übergeordnetem öffentlichem Interesse sein und darf keinen kurzfristigen modischen Einflüssen unterliegen
- einen bestimmten Mindestabstand zu bereits vorhandenen Farben haben
- mit handelsüblichen Pigmenten, die als nicht Umwelt schädigend festgestellt sind, tönbar sein
- mit wenigen Ausnahmen, ein hohes Deckvermögen über „Schwarz-Weiß“ haben
- witterungsbeständig hergestellt werden können.
Einige Farben der RAL-Palette sind heute allgegenwärtig. Beispiele dafür sind der Farbton Ginstergelb (RAL 1032), den die Deutsche Post als Unternehmensfarbe verwendet, das Bordeauxviolett der EU-Reisepässe (RAL 4004).